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Bilderwelt

Sie hat einen besonderen Namen und einen besonderen Zugang zur Kunst: Andrea von Goetz und Schwanenfließ. Vor einem Jahr ist die Kunstsammlerin mit ihrem Mann Markus und den beiden Söhnen in die 220 Quadratmeter große, L-förmig geschnittene Altbauwohnung in Winterhude gezogen. Als sie die Wohnung damals besichtigte, war sie zunächst skeptisch: Im Flur weißer Marmorboden und verspiegelte Flügeltüren, die Einbauküche mit weißem Schleiflack – doch sie mochte die Brüche. „Es passt zu meinem Sammlerherz und zu meiner Kunst.“

2007 ist sie in den Kunstmarkt eingestiegen. Damals war sie mit ihren Söhnen, heute 11 und 14, oft in Museen und Kunstausstellungen. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Andrea von Goetz. Auch ihren Mann Markus packte es – so fingen sie an, Werke junger Künstler zu sammeln und sie in ihre Wohnung und damit in ihr Leben zu integrieren. „Ich sammle Kunst, die in meine jeweilige Lebensphase passt“, sagt von Goetz. Dadurch habe sie eine enge Beziehung zu den Bildern. „Ich freu mich richtig auf sie, wenn ich aus dem Urlaub komme.“

Vom Entrée aus führt linkerhand ein Flur in den hinteren Teil der Wohnung. Dort ist die Küche, komplett in schwarz-weiß gehalten: weiße Tulip-Stühle um einen runden Tisch, Tapete und Rollos mit breiten Blockstreifen, der Bolon-Teppich meliert, auf der Fensterbank weiße Skulpturen und eine weiße Mickey-Maus – einzige Farbtupfer sind der beleuchtete grüne Kunststoff-Kaktus, der auf einer Säule neben dem amerikanischen Kühlschrank thront (beides ebenfalls weiß), und die beiden Schüsseln von Dackel-Dame „Hexe“, die in zarten Farben und mit Peace-Zeichen bemalt sind.

Mit einem Kaffee in der Hand schlendern wir durch den Flur Richtung Wohnzimmer. An den lavendelfarbenen Wänden hängen kleine und große Werke junger Künstler, Fotografien, Gemälde und Collagen. Manches liegt an der Grenze zum Kitsch, doch trotzdem ist es ernst zu nehmende Kunst – ob eine Installation bunter Küchenmesser, ein aus vielen kleinen rosa Herzen zusammengesetztes Herz hinter Glas, oder das surrealistisch anmutende Foto einer jungen Frau mit einem Surfbrett unterm Arm. Das hat die kunstbegeisterte Hamburgerin ihrem Mann gerade zu Weihnachten geschenkt. Es passt zur jetzigen Lebensphase: Die ganze Familie hat vor Kurzem mit dem Wellenreiten angefangen. Ihr allererstes Bild zeigt uns die Hausherrin im Wohnzimmer: Ein großformatiges Aquarell, das die Künstlerin Hanna Nitsch von ihrer Tochter gemalt hat. Das kleine Mädchen wirkt gleichermaßen bezaubernd und verstörend. „Mich interessiert bei Bildern der zweite Blick; es muss etwas hinter der Oberfläche geben“, sagt von Goetz, die mit diesem Werk 2007 den Grundstein ihrer Sammlung gelegt hat.

Das Bild ist Blickfang im Wohnzimmer, obwohl das Auge auch an vielen anderen Dingen hängen bleibt. Da ist der Eckkamin, auf dem zwei schwere Windlichter und eine Vase voller Hyazinthen stehen, Davor die zwei großen, weißen Eames-Schaukelstühle, auf denen schwarze Schaffelle liegen. Dann der schwarze runde Holztisch mit den Panton-Stühlen, konträr dazu das Sofa in originellem Türkis, das mit einem behäbigen Sessel im Streifenlook und einem Glastisch ein hübsches Ensemble bildet. Die Reihe lässt sich fortsetzen: da sind die vielen geschmackvollen Accessoires – ein silberner Oktopus als Kerzenleuchter, Glasobjekte mit eingeschlossenen Korallen darin, Kristallkaraffen, aber auch – Stilbruch! – eine dicke, pinkfarbene Barbapapa-Figur und zwei Plastikschlümpfe.

Und schließlich viel Kunst an den Wänden, darunter ein Objekt des Künstlers und Bühnenbildners Philipp Fürhofer, das beleuchtet werden kann und sich dadurch verändert. Und ein Werk von Olaf Holzapfel, das aus Heusträngen besteht, die er um ein Holzgitter gewunden hat.

„Wer ein gutes Auge für Kunst hat, weiß, was passt“, sagt die Kunstsammlerin mit sympathischem Selbstbewusstsein. Während sie schon mal eine Wand umstreicht oder Möbel verschiebt, um ihre Kunstwerke gut in Szene zu rücken, ist sie selber alltags meist lässig gekleidet. Ihre Wohnung zeigt sie uns beispielsweise in Boyfriend-Jeans und grünen Espandrilles, erst fürs Foto wechselt sie später die Schuhe.

Mittlerweile hat sie sich durch ihren scharfen Blick für talentierte Kunst einen Namen als Kunstexpertin gemacht. Als Kuratorin und Netzwerkerin bringt sie junge Künstler mit Sammlern, Galerien, Unternehmen und Museen zusammen – etwa über ihren Kunstsalon Selected in Hamburg oder die jährliche Abschlussausstellung der von ihr gegründeten Kunstresidenz im Rahmen des sommer.frische.kunst-Festivals in Bad Gastein. Dort bietet sie seit fünf Jahren jungen internatioanlen Talenten eine Plattform.
Ein Bild muss nicht immer gerahmtund zentral aufgehängt sein

Nach dem Kauf mache ihr die Rahmung und dann, als Highlight, die Platzierung der Bilder im eigenen Umfeld großen Spaß, sagt Andrea von Goetz. „Hierbei sollte man auch mal Mut haben: Ein klassisches Bild muss nicht immer passend gerahmt, eine Arbeit nicht unbedingt zentral aufgehängt werden.“ Statt dessen dürfe man Kunstwerke gerne mal „ver-rücken“, um so das Auge des Betrachters neugierig zu machen. „Und bloß nicht die nächsten 20 Jahre am Platz festhalten, sondern auch einfach mal umhängen und schauen, wie es woanders wirkt“, so ihr Tipp.

Viele ihrer Bilder sind bereits im Wert gestiegen. Doch während das bei ihr nicht im Mittelpunkt steht, kaufen andere Kunst zwar zum Zweck des Sammelns, aber mit dem Blick eines Investors. „Wer in Kunst investieren will, sollte aber nicht auf eigene Faust losgehen und einfach ein Bild kaufen“, empfiehlt die Sammlerin. Vorab sollte Folgendes geklärt werden: Wo hat der Künstler studiert? Mit welchen Galerien arbeitet er zusammen? Gibt es schon museale Ausstellungen? In welchen Sammlungen ist er vertreten? Wie sind seine nationalen und internationalen Erfolge? Wer schon mehr Erfahrung habe, könne sich auch mal an Online-Portale wie auctionata.de wagen und dort vielleicht das eine oder andere Schnäppchen finden. Sie selbst Andrea von Goetz wird oft von Menschen angesprochen, die ihr Geld in Kunst anlegen möchten. „Ichberate und vermittle auch gern“, sagt die Hamburger Kunstexpertin, die über www.vgs-art.com gut zu erreichen ist. „Und wenn Leute sich in Kunst verknallen, macht es mir am meisten Spaß.“ So ist es ihr ja schließlich auch ergangen.